Plädoyer für Leidenschaft beim Broterwerb

28. Januar 2022

 

von Daniel Grosse

 

Leidenschaft in Liebe, Ehe, Partnerschaft - diese Art von Leidenschaft kennen wir, dort verorten wir sie begrifflich. Und leben sie. Hoffentlich. Aber Leidenschaft für unseren Beruf oder die Arbeit, die wir erledigen? Würden wir so unser Gefühl beschreiben? Beruf, Job, Leidenschaft. Irgendwie passt das nicht zusammen. Ich habe eine Arbeit. Die soll mich ernähren, sicherstellen, dass ich meiner Familie und mir Essen kaufen kann, dass ich in der Lage bin, die Miete oder einen Kredit zu finanzieren. Ohne ein Dach über dem Kopf geht es nun mal nicht. Dieser Ansatz klingt logisch. Denn wo es um existenzielle Fragen geht, sind wir an dem Punkt: Nicht verhandelbar!

 

In der Freizeit

 

Jeden Tag, zumindest regelmäßig, gehen wir irgendwelchen Beschäftigungen nach. Ich spreche hier noch nicht einmal von Arbeit zum Broterwerb. Einfach Beschäftigungen, die unsere Zeit ausfüllen. Denn mit 24/7 besitzen wir Lebenszeit als ein Gut, das wir für uns verwalten. Jeder für sich. Warum also nicht etwas tun, was ich gerne mache? So schießt der eine in seiner Freizeit vielleicht mit Pfeil und Bogen auf Zielscheiben, andere gehen kicken, sammeln Briefmarken, besuchen einen Tanzkurs, lesen in jeder freien Minute in einem Buch, gehen angeln oder ziehen sich eine Streaming-Serie nach der nächsten rein. Aber stets geht es um das widerstandslose Tun von etwas Befriedigendem. Etwas Schönem, von einer Tätigkeit, mit der wir uns wohlfühlen. Diese streuen wir freiwillig in unser Leben ein.

 

Suche nach dem Ja

 

Und nun wird es spannend. Ein Arbeitsprozess geschieht ja letztlich nicht freiwillig. Keiner antwortet ehrlich und spontan mit freudestrahlenden Augen und einem klaren Ja, wenn Fragen wie diese kommen: Bestimmt liebst du doch deinen Job? Du verbringst deine Arbeitszeit sicherlich stets mit großer Leidenschaft, gar Hingabe, oder? Darauf spontane Ja-Antworten zu erhalten, ist wohl wenig wahrscheinlich.

 

Harte Arbeit

 

Denn was bedeuten acht Stunden am Band in der Fabrik, was die Maloche bei Wind und Wetter im Straßenbau? Wie sieht die Versorgung schwerstkranker Menschen in Krankenhäusern oder Altenheimen ganz konkret aus? Was geht tatsächlich in Mitarbeiter:innen vor, die täglich um 5 Uhr aufstehen müssen, um nach langer Pendelfahrt pünktlich an ihrem Arbeitsplatz zu erscheinen? Oder was beschäftigt einen Menschen, wenn er täglich als Polizeikraft zu gefährlichen Einsätzen gerufen wird? Weitere Beispiele: die Schwerstverbrecher vertretende Pflichtverteidigerin, die Kassiererin im Supermarkt, die Journalistin, die nur schlechtbezahlte Aufträge findet und dafür auch noch täglich stundenlang über Themen recherchiert und Tausende Zeichen tippen muss. Und so weiter.

 

Zurück zu den Wurzeln

 

Ja, wie soll da Leidenschaft entstehen? Meine angeführten Beispiele beschreiben sicher Extreme. Sie malen nur mit Schwarz, nicht mit Weiß. Und trotzdem plädiere ich für ein Mehr an Freude an dem, was wir beruflich machen - so wir denn eine Arbeit haben. Und wenn nicht, dann besinnen wir uns auf das Erlernte, den Beruf, für den uns andere einmal ausgebildet haben: in Schule, Lehre, Fortbildung oder Uni. Ein möglicher Weg zumindest. Oder wir erfinden uns neu, wozu wir die Karten gründlich mischen.

 

Gefühl beim Broterwerb

 

Was wir auch tun, gehen wir mit Freude und Neugierde an die Sache heran. Aber Leidenschaft für unseren Beruf oder die Arbeit, die wir - zum Broterwerb - erledigen? Würden wir tatsächlich so weit gehen, unser Gefühl so beschreiben?, habe ich eingangs gefragt.

 

Appell zum Schluss

 

Bevor es nun philosophisch oder theologisch wird, mich überzeugt der Gedanke mit der Leidenschaft für Beruf, Arbeit und Job. Denn so viel leichter geht uns von der Hand, was wir nicht nur gerne, sondern leidenschaftlich machen. Beruf. Arbeit. Job. In welchem von den drei Begriffen man sich wiederfindet, muss jeder selbst entscheiden.

 

Mein Wunsch für Beschäftigte und Suchende: Empfindet Leidenschaft für das, was ihr tut! Verfolgt hingebungsvoll eure Ziele!

Arbeitgeber, Vorgesetzte oder andere: Bringt Wertschätzung entgegen!