Mehr als ein Hauptberuf - Erfinde dich neu

Ich erfinde mich mal eben neu. Ich orientiere mich neu. Wer in einer beruflichen Krise steckt, unternimmt beides, denkt vielleicht nicht über die sprachliche Tragweite seines Vorhabens nach. Und doch gehen Erfinder:innen einige Schritte weiter, als sich lediglich neu zu orientieren. Nicht nur sprachlich.

 

Eine Tüftlerin baut auf Erfahrung auf. Sie hat eine Berufsvita, war vielleicht Lehrerin oder Schneiderin. Dann kamen schleichende, negative Entwicklungen, wie etwa eine zerbröselnde Beziehung oder die Kündigung nach 30 Jahren in der gleichen Firma. Das macht etwas mit einem Menschen.

 

Was also haben Erfinden und Neuorientieren gemeinsam? Nichts – und doch eine ganze Menge. Denn etwas Neues zu erdenken oder zu erschaffen, meint das Eine, in einer Umgebung oder Situation seinen Standort neu zu finden, um ein neues Ziel zu erreichen, meint das Andere. Was ist was? Nummer 1 beschreibt den Vorgang des Erfindens, Nummer 2 den der Neuorientierung.

      

Wie beim Kuchenbacken

 

Sich neu zu orientieren, genügt unserer Erfinderin im Beispiel nicht. Das Ziel liegt im Nebel, sie kennt jedoch bereits ihren Standort. Der wird bestimmt durch Eigenschaften, die in ihrer Person liegen: Berufserfahrung, Qualifikation, Weiterbildungswille, Bereitschaft zum Pendeln, familiäre Situation. Nicht oder nur bedingt beeinflussen kann die Erfinderin jedoch Dinge, die außerhalb liegen: etwa die Anzahl offener Stellen oder die Konkurrenzsituation auf dem Arbeitsmarkt.

 

Es ist wie beim Kuchenbacken. Ein Regal voller Zutaten, aber die Bäckerin weiß noch nicht, welchen Kuchen sie backen soll. So einen hat sie noch nie zuvor gebacken. Sie weiß nur, dass er für sie sein soll und er ihr schmecken muss. Der Kuchen muss gesund und bekömmlich sein. Also erfindet sie einen Kuchen – so wie unsere Frau im Beispiel, nur dass die sich beruflich neu erfindet.

 

Auch ihr Regal ist gefüllt mit Zutaten aus Beruf und Privatem. Viele kennt sie jetzt noch nicht. Aber sie weiß, dass sie arbeiten möchte in einer Position, in der sie genügend Geld verdienen kann. Die Arbeit soll ihr mindestens 70 Prozent Freude oder gar Spaß bescheren. Also erdenkt sie etwas Neues. Sie erschafft es. Die Frau mit Beruf und Vita ist schließlich Erfinderin.

 

Messe für Erfinder:innen

 

Meistens beginnen solche Prozesse mit einer guten Idee, einer praktischen Lösung oder einer neuen Herangehensweise. Fraglich ist jedoch: Wie entstehen aus reinen Ideen im Kopf fertige Produkte und letztlich Erfolg? In unserem Beispiel ist die Berufstätige ihr eigenes Produkt. Sie sucht den Erfolg im Beruf. Wie sie den letztlich definiert, ist eine andere Frage.

 

Wie findige Menschen an das Thema Erfindungen herangehen, können Besucher:innen seit einigen Tagen in Süddeutschland lernen und erleben. Noch bis heute finden dort die Erfindermesse iENA und die Kreativ- und Technikmesse „Hack & Make“ statt.

 

Opa und Enkel im Gespräch

 

Was die Menschen dort eint: als Schöpfer:innen Denkmuster durchbrechen, um etwas gänzlich Neues zu erdenken, zu erschaffen. Gefunden habe ich dazu die kleine Geschichte eines Jungen, der sich nicht sicher ist, ob er später einmal Erfinder werden möchte, weil er ja noch nicht einmal weiß, „ob das überhaupt ein richtiger Beruf ist“, berichtet sein Großvater, gleichzeitig der Autor von Opas Blog in dem Beitrag Erfinder - ein richtiger Beruf? Die Oma wendet ein, dass der Enkel auch neben seinem Beruf Erfinder sein könne. Das habe bereits ein anderer berühmter Mann so gemacht. „Wer?“, könnte der Junge nun fragen. Deutschlands erster Bundeskanzler Konrad Adenauer war Erfinder, so die Antwort der Großmutter. Tatsächlich war der in seiner Freizeit nicht nur ein begeisterter Rosenzüchter, sondern auch leidenschaftlicher Erfinder. So war er ein Pionier in Sachen Sojawurst, für die er am 26. Juni 1918 ein Patent einreichte, schreibt Geo-Autorin Solveg Hoffmann.

 

Das beruhigt den wissbegierigen Jungen. Trotzdem überlegt er und gibt „dann aber doch zu bedenken, dass die Berufswünsche bei ihm noch ziemlich oft wechselten“, schreibt der Opa in seinem gleichnamigen Blog.

Q

Die gute Nachricht ist, dass zumindest die Frau in unserem Eingangsbeispiel, unsere Erfinderin, gar nicht überlegen muss, ob sie nun nebenbei erfinden muss oder hauptberuflich. Denn wer sich selbst beruflich neu erfindet, macht das 24/7.

 

Alles eine Charakterfrage

 

Nachdenken sollte unsere Erfinderin jedoch darüber, ob sie charakterlich, vom Temperament her, überhaupt zur Erfinderin taugt. Hat sie die nötige Denke dafür?

 

Erfindern wird nachgesagt, sie könnten gewandte Unterhalter:innen sein. Sie neigten dazu, in Debatten absichtlich raffinierte Taktiken zum Nachteil ihrer Gegner anzuwenden, selbst wenn es sich bei den Gegner:innen um Mitarbeiter:innen oder einen guten Freund handle. Sie sprechen sich aus für Neuerungen, sind denkflexibel und nicht nur argumentativ anderen stets einen Schritt voraus. Nur mit einer Skizze oder Notizen bewaffnet, beherrschen sie angeblich die Kunst der Improvisation. Beim Misserfolg, bleiben Erfinder:innen nicht liegen. Im Gegenteil: Jetzt erst recht!, so ihr Motto. Arsch huh, Zäng ussenander!, wie schon Wolfgang Niedecken vor Jahren sang. Sie hassen Routine, suchen die Herausforderung und gestalten für ihr Leben gern soziale (Ver-)Bindungen. Heißt es zumindest. 

 

Wenn unsere Erfinderin all diese Eigenschaften in sich vereint, steht einer Karriere als Sich-Beruflich-Selbst-Erfinderin eigentlich nichts im Wege.

 

Erfindermesse Nürnberg:

 

www.iena.de

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